Den Sommer 1869 verbrachten die Brüder Johann und Josef Strauss in Pawlowsk bei St. Petersburg und leiteten gemeinsam die Konzerte im Vauxhall. In wenigen Monaten entstand eine Reihe von Meisterwerken. Um dem Publikum etwas Besonderes bieten zu können, schlug Johann Strauss seinem Bruder vor, eine Pizzicato-Polka zu schreiben. Josef wollte sich nicht sofort zu einer solchen Komposition entschließen.
Da erklärte sich Johann Strauss bereit – so hat er es wenigstens im Jahre 1892 seinem Verleger Friedrich August Simrock geschildert, - diese Werk gemeinsam mit seinem Bruder zu verfassen. Pepi willigte ein. Das Ungewöhnliche dieses Vorgehens schreckte Jetty Strauss, die ihren Gatten nach Russland begleitet hatte. Sie schrieb nach Wien: «Jean und Pepi machen jetzt eine Polka zusammen. Das wird wieder was Neues sein.»
Das Werk, das Jetty Strauss so nebenbei erwähnte, die «Pizzicato-Polka», erlebte am Abend des 24. Juni 1869 in Pawlowsk bei St. Peterburg seine erste, zweite und dritte Aufführung; es löste einen derartigen Jubelsturm aus, dass es nach seiner Präsentation sofort wiederholt und am Schluss des Konzerts noch einmal vorgetragen werden musste.
Seitdem ist das Vorbild, das diese «Pizzicato-Polka» der Musikwelt gegeben hat, oft nachgeahmt (z.B. von Leo Delibes), aber eigentlich niemals wieder so perfekt erreicht worden.
Text: Prof. Franz Mailer