Wilhelm Kienzl
Wilhelm Kienzl wurde in Waizenkirchen in Oberösterreich geboren, wo sein Vater als Rechtsanwalt arbeitete. Seine Mutter war Schauspielerin und nebenbei auch literarisch tätig. 1860 übersiedelte die Familie nach Gmunden und ein Jahr später nach Graz, wo der Vater von 1873 bis 1885 das Bürgermeisteramt bekleidete. Nach Klavier- und Violinunterricht im Kindesalter nahm Wilhelm Kienzl ab 1872 Klavierstunden bei Mortier de la Fontaine, einem Schüler Chopins. 1874 inskribierte er an der Grazer Universität Philosophie, Physik, Literatur und Musikgeschichte. Daneben war er als Musikkritiker, Chorsänger und Pianist tätig.
1876 ging Kienzl nach Prag, um seine Studien fortzusetzen, wechselte dann nach Leipzig und kam schließlich nach Wien, wo er 1879 bei Eduard Hanslick mit der Dissertation "Die musikalische Declamation" zum Doktor der Philosophie promovierte. Als deklarierter Wagnerianer reiste er 1876 zur Uraufführung des "Ring des Nibelungen" nach Bayreuth und wurde bald in den Freundeskreis Richard Wagners aufgenommen. Auf seinen Konzertreisen als Pianist lernte er die bedeutendsten Künstler seiner Zeit kennen. Zu seinen engsten Freunden zählten der steirische Heimatdichter Peter Rosegger und der Operettenkomponist Richard Heuberger.
Seine erste feste Anstellung fand Kienzl 1883 als Erster Kapellmeister der deutschen Oper in Amsterdam. 1886 wurde er zum artistischen Direktor des Steiermärkischen Musikvereins ernannt und heiratete im selben Jahr die oberösterreichische Sängerin Lili Hoke, die bereits in Bayreuth gesungen hatte. Ab 1891 war er vorwiegend als Dirigent in verschiedenen deutschen Städten, darunter auch Hamburg und München, tätig.
Als Komponist hatte er seinen Durchbruch mit der Uraufführung der Oper "Der Evangelimann" 1895 in Berlin, die sich zu einem Welterfolg entwickelte und die als eines der wichtigsten österreichischen musikdramatischen Werke der Jahrhundertwende gilt. Kienzl begleitete die Aufführungen seiner Oper durch ganz Europa und ließ sich erst 1917 dauerhaft in Wien nieder, wo zwei Jahre später seine Frau starb. Er heiratete 1921 die Schriftstellerin Helene Lehner, welche die Libretti zu seinen späten Bühnenwerken verfasste.
1920 erhielt Kienzl von Kanzler Karl Renner den Auftrag zur Komposition einer Staatshymne für die Erste Republik. 1925 vollendete er seine Autobiographie, erkrankte 1940 und verstarb 84jährig am 3. Oktober 1941 in Wien. Das Grabdenkmal auf dem Zentralfriedhof stammt von Andre Roder. Am 17. Jänner 1957 wurde eine an seinem Wohnhaus in der Schreygasse angebrachte Gedenktafel enthüllt.
Bedeutende Werke:
- Der Evangelimann (Oper, 1895)
- Der Kuhreigen (Oper, 1911)
- Das Testament (Dialektoper, 1916)
- Deutsch-Österreich, du herrliches Land, wir lieben dich (Hymne der Ersten Republik, 1920)
- Meine Lebenswanderung (Autobiographie, 1926)
Der Nachlass von Wilhelm Kienzl (mit dem Kryptonachlass des polnischen Klaviervirtuosen Henri Louis Stanislaus Mortier de Fontaine) befindet sich in der Wienbibliothek im Rathaus.