PRESSE

Kritik: Die Presse

Ein Hoch auf Johann Christian Bach – und den jungen Schubert!

Das Wiener KammerOrchester tastete sich im Konzerthaus ereignisreich von der Früh- zur Spätklassik vor.

VON JENS F. LAURSON

Vorklassik hat es nicht leicht in unseren modernen Ohren. Aber wenn man genügend stöbert, finden sich doch Kleinode. Die muss man dann noch mit Elan spielen. Jan Willem de Vriend und das Wiener Kammerorchester taten das Sonntagabend im Konzerthaus mit Johann Christian Bachs D-Dur Sinfonie für Doppelorchester: Sie ist von quasi mozartischer Spritzigkeit und könnte auch als unbekannte Haydn-Sinfonie durchgehen. Auch die Ausführung bot alles, was das Herz in dieser Musik begehren kann (und bekommen muss, wenn es nicht furchtbar dröge werden soll): Leichtigkeit, Schwung, von vorn attackierte Noten, die der Trägheit erst gar keine Chance gaben, dynamische Nuance und keine Verharmlosung. Zudem Zehenspitzenspiel und Stürmisches gleichermaßen präsent: Das hätte auch ein Toporiginalklang-Ensemble nicht leicht besser gemacht.

Ein erquicklicher Auftakt vor der Show der Jussen-Brüder, die seit fast 20 Jahren Konzertsäle füllen und Publika mit ihren blonden Frisuren und glänzenden Anzügen (Typ Löwendompteur) entzücken. Diesmal ihr Spielball: Mozarts Konzert für zwei Klaviere KV 365. Die beiden wiegten und drehten sich, kosteten jede Note körperlich aus, legten bisweilen auch die Hand aufs Herz vor lauter Rührung, um sie gleich wieder sanft gen Tastatur zu führen. Dabei ist der ältere (Lucas) körperlich agiler, der jüngere (Arthur) dafür etwas fingerfertiger. Das höchst gefällige Konzert absolvierten sie gerade im letzten Satz gut. Das Publikum jubelte und wurde wiederum mit einer Zugabe, der Bearbeitung eines Stücks aus der Matthäus-Passion, belohnt.

Applauspolizei am Werk

Spannender wurde es noch einmal bei Schuberts vierter Sinfonie, die etwas darunter leidet, dass sie „Tragische“ heißt und so selten tragisch wirkt. Doch wenn man sie klassisch-leicht anpackt und so auf der Stuhlkante spielt wie das WKO unter de Vriend, dann wirken die grollenden, donnernden Elemente halbwegs tragisch. Gerade im ersten Satz, in dem die Pauken und Trompeten nur so prasseln. Diesem wurde sogar spontan Applaus spendiert, was die Applauspolizei aber gleich niederzischte.„Falsches“ Klatschen? Unerhört. Rechtschaffenes Zischen? Aber ja!

Der 19-jährige Schubert hätte sich freilich gekränkt, wäre diesem Satz nicht applaudiert worden. Gefallen hätte ihm, wie lebendig und eifernd de Vriend und das WKO die Sinfonie spielten. Überhaupt scheint es ein Glück für das Orchester zu sein, dass es endlich wieder einen richtigen, wenn auch nicht unbedingt konventionell taktschlagenden Dirigenten als Chef hat. So wird es sich ein treues Publikum erarbeiten.

JENS F. LAURSON (DIE PRESSE)

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Kritik: Die Presse vom 24.09.2024

Ein Hoch auf Johann Christian Bach – und den jungen Schubert!

Das Wiener Kammerorchester tastete sich im Konzerthaus ereignisreich von der Früh- zur Spätklassik vor.

VON JENS F. LAURSON

Vorklassik hat es nicht leicht in unseren modernen Ohren. Aber wenn man genügend stöbert, finden sich doch Kleinode. Die muss man dann noch mit Elan spielen. Jan Willem de Vriend und das Wiener Kammerorchester taten das Sonntagabend im Konzerthaus mit Johann Christian Bachs D-Dur Sinfonie für Doppelorchester: Sie ist von quasi mozartischer Spritzigkeit und könnte auch als unbekannte Haydn-Sinfonie durchgehen. Auch die Ausführung bot alles, was das Herz in dieser Musik begehren kann (und bekommen muss, wenn es nicht furchtbar dröge werden soll): Leichtigkeit, Schwung, von vorn attackierte Noten, die der Trägheit erst gar keine Chance gaben, dynamische Nuance und keine Verharmlosung. Zudem Zehenspitzenspiel und Stürmisches gleichermaßen präsent: Das hätte auch ein Toporiginalklang-Ensemble nicht leicht besser gemacht.

Ein erquicklicher Auftakt vor der Show der Jussen-Brüder, die seit fast 20 Jahren Konzertsäle füllen und Publika mit ihren blonden Frisuren und glänzenden Anzügen (Typ Löwendompteur) entzücken. Diesmal ihr Spielball: Mozarts Konzert für zwei Klaviere KV 365. Die beiden wiegten und drehten sich, kosteten jede Note körperlich aus, legten bisweilen auch die Hand aufs Herz vor lauter Rührung, um sie gleich wieder sanft gen Tastatur zu führen. Dabei ist der ältere (Lucas) körperlich agiler, der jüngere (Arthur) dafür etwas fingerfertiger. Das höchst gefällige Konzert absolvierten sie gerade im letzten Satz gut. Das Publikum jubelte und wurde wiederum mit einer Zugabe, der Bearbeitung eines Stücks aus der Matthäus-Passion, belohnt.

Applauspolizei am Werk

Spannender wurde es noch einmal bei Schuberts vierter Sinfonie, die etwas darunter leidet, dass sie „Tragische“ heißt und so selten tragisch wirkt. Doch wenn man sie klassisch-leicht anpackt und so auf der Stuhlkante spielt wie das WKO unter de Vriend, dann wirken die grollenden, donnernden Elemente halbwegs tragisch. Gerade im ersten Satz, in dem die Pauken und Trompeten nur so prasseln. Diesem wurde sogar spontan Applaus spendiert, was die Applauspolizei aber gleich niederzischte.„Falsches“ Klatschen? Unerhört. Rechtschaffenes Zischen? Aber ja!

Der 19-jährige Schubert hätte sich freilich gekränkt, wäre diesem Satz nicht applaudiert worden. Gefallen hätte ihm, wie lebendig und eifernd de Vriend und das WKO die Sinfonie spielten. Überhaupt scheint es ein Glück für das Orchester zu sein, dass es endlich wieder einen richtigen, wenn auch nicht unbedingt konventionell taktschlagenden Dirigenten als Chef hat. So wird es sich ein treues Publikum erarbeiten.